Der folgende Artikel entstand in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift LICHT, der salesianischen Ordenszeitschrift und wurde von unserer ehemaligen Freiwilligen Merit (2016/17) verfasst.
Meine Mutter erzählte mir kürzlich von einer Folge der TV-Sendung „Das Jenke-Experiment“, die sie sich angeschaut hatte. Die Sendung widmete sich
der Frage, ob Kaufen wirklich glücklich macht.
Jenke von Wilmsdorff, der die Sendung gestaltet, stellte sich seinem eigenen Konsumverhalten. Er zählte all seine Besitztümer und räumte radikal seine Wohnung leer, um daraufhin für einen festgesetzten Zeitraum einen minimalistischen Lebensstil an den Tag zu legen. Dabei kam heraus: Der Reporter besitzt unwahrscheinlich viel.
Unwillkürlich fühlte ich mich an diesen Artikel erinnert, den ich in Kürze schreiben musste. Denn das Thema, das wir von Aktion Lichtblicke Ghana e.V. für die nächste „LICHT“-Ausgabe vorgesehen haben, lautet: kritischer Konsum. Die Folge des Jenke-Experiments hat mir noch einmal anschaulich vor Augen geführt, dass es in Ordnung ist, viel zu besitzen. Es kann Erinnerungen wach halten, ein gemütliches Zuhause schaffen oder Unterhaltung im Alltag bieten. Was meiner Meinung nach viel kritischer zu betrachten ist, ist die zu kurze Nutzungsdauer von Gegenständen. Ein Gegenstand, der gekauft wurde, aber für die Besitzerin keinen Nutzen mehr hat, nimmt nicht nur Platz in der Wohnung, sondern trägt auch zur Ressourcenverschwendung bei. Insbesondere, wenn wir an Elektrogeräte denken, wird diese Verschwendungskultur nur allzu deutlich.
Es ist gang und gäbe, Mobiltelefone zu ersetzen, wenn eines mit einer besseren Kamera, mehr Speicher, oder einfach nur mit einem neuen Design erschienen ist. Im besten Fall meint „ersetzen“ hier, dass das alte Gerät weiterverkauft wird. Im schlechtesten Fall wird das noch funktionsfähige Gerät entsorgt. Wissen Sie, was mit einer Vielzahl dieser Geräte passiert, wenn sie entsorgt werden? Sie landen in Ghana. Genauer gesagt auf einer riesigen Müllkippe in Agbogbloshie. Dort arbeiten viele Menschen (auch Kinder), um noch verwertbare Metalle aus Geräten und Kabeln zu extrahieren. Dies geschieht, indem die umhüllenden Kunststoffteile weggebrannt werden. Die Gase, die dabei entstehen, sind enorm gesundheitsgefährdend. Ganz zu schweigen von den Gefahren, die von den ungesicherten Feuerstellen ausgehen. Wer sich für dieses Thema interessiert, der:dem sei die Dokumentation „Welcome To Sodom“ empfohlen. Im Zuge der zunehmenden Nachhaltigkeitsbestrebungen der letzten Jahre habe ich das Gefühl, dass immer mehr Menschen die Tragweite ihres Konsums bewusster wird. Es sind zahlreiche Startups entstanden, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. So gibt es beispielsweise ein Unternehmen, das alte Mobiltelefone und Laptops so aufarbeitet, dass sie wieder neuwertig verkauft werden können. Dennoch bleibt das Problem, dass viele Ghanaer und Ghanaerinnen ihre Lebensgrundlage auf Agbogbloshie gebaut haben. Ein radikaler Stopp aller Elektroexporte nach Ghana würde also nicht nur Gutes bedeuten, sondern vielen Menschen auch ihre Einkommensmöglichkeiten entziehen. Und an dieser Stelle trägt auch Aktion Lichtblicke und vor allem unser Partnerprojekt Rays of Hope Centre (ROHC) dazu bei, dass dieser Schieflage entgegengewirkt werden kann. Jedes Jahr stellt der Sozialarbeiter von ROHC Kontakt zu Kindern, die auf den Straßen Ashaimans Waren verkaufen oder sogar leben, her. Daraufhin durchlaufen sie ein Jahr Vorschulunterricht und werden je nach Alter entweder in einer öffentlichen Schule angemeldet oder zu einer Ausbildungsstätte vermittelt.
Darüber hinaus leistet das Projekt Unterstützung für die Familien und trägt dazu bei, dass vielen Kindern in Ashaiman eine grundlegende Bildung zuteil wird, sodass sie bessere Chancen auf gesicherte Arbeits- und Einkommensverhältnisse für sich und ihre Familie haben. Die Kinder, die in das Projekt kommen, haben bislang keine Vorgeschichte in Agbogbloshie gehabt (Update: in diesem Jahr wurde im Projekt das erste Kind aufgenommen, welches zuvor in Agbogbloshie gearbeitet hat), dennoch waren sie Teil des Systems, das Kinderarbeit zur Folge hat. Die Spenden von Aktion Lichtblicke und die Arbeit des Rays of Hope Centres tragen somit dazu bei, dass weniger schulpflichtige Kinder in Ghana auf den Straßen arbeiten müssen und bieten ihnen die Möglichkeit, durch eine fundierte Grundbildung einen Beruf zu erlernen, durch den sie nicht unter so prekären Bedingungen wie in Agbogbloshie arbeiten müssen.
Vielleicht haben Sie ja bei den diesjährigen Weihnachtseinkäufen die in Agbogbloshie sichtbaren Konsequenzen unseres Konsumverhaltens im Sinn. Ich für meinen Teil habe mir für 2022 vorgenommen, weniger Neues zu kaufen und am Ende des Jahres das Geld, das ich eingespart habe, für Aktion Lichtblicke zu spenden. Im Namen der ehemaligen Volontäre von Aktion Lichtblicke Ghana e.V. wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2022!