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Wenn wir an Themen wie Billigproduktion von Mode in „Sweatshops“, die Elektroschrott Deponie Agbogbloshie in Ghana oder – ein tagesaktuelles Beispiel – die Impfstoffverteilung gegen CoVid-19 denken, steht die Frage nach globaler (Un-) Gerechtigkeit immer im Raum.

Wir können fragen: Wer ist von globaler Ungerechtigkeit betrof-fen? Sind es Einzelpersonen, oder Gruppen? Wir können auch fragen, ob Gerechtigkeit darin bestünde, dass alle Menschen die gleichen Startbedingungen (Chancengleichheit) oder de facto das Gleiche (also zum Beispiel das gleiche Gehalt, den gleichen Wohnungsstandard, etc.) erhalten sollten. Besonders spannend für uns, als Verein, der Freiwillige in ein Land des sogenannten globalen Südens entsendet und der für die Finanzierung des Partnerprojektes dort maßgeblich ist, ist die Frage, inwiefern wir eine Rolle haben, die globale Ungerechtigkeit begünstigt und was wir dafür tun können, diese Rolle abzubauen.

Grundsätzlich möchte ich im Folgenden von globaler Ungerechtigkeit sprechen, da die positive Formulierung (globale Gerechtigkeit) meines Erachtens verharmlosende Implikationen zu sehr in den Vordergrund rückt.Als ehemalige Freiwillige wurde mir das Privileg zuteil nach meinem Abitur für ein Jahr in unserem Partnerprojekt „Rays of Hope Centre“ in Ghana zu arbeiten. Mein Freiwilligendienst wurde von weltwärts, einem Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zu großen Teilen refinanziert. Über Freunde und Verwandte habe ich zudem weitere Spenden für das Projekt und also auch für meinen Freiwilligendienst akquirieren können. Mein Visum wurde mir problemlos gewährt. Die nötige Ausrüstung (Reisetasche, Klei-dung, Medikamente, etc.) konnte ich mir leisten. Ich durfte in diesem Jahr sehr viel lernen. Vieles davon kann ich gar nicht in Worte fassen. Und auch nach meinem Volontärsjahr hatte ich noch einmal die Chance privat nach Ghana zu reisen, um das Projekt wieder zu besu-chen. Das alles formu-liere ich in dem Wissen, dass meine privilegierte Situation in Deutschland in der Regel als selbstverständlich angesehen wird. Gleichzeitig bin ich mir be-wusst, dass kein:e Ghanaer:in in naher Zukunft ebenso selbst-verständlich Ähnliches schildern können wird, wie ich. Und das ist in meinen Augen ungerecht! In diesem Zusammenhang drängt sich mir die Frage auf, ob dieser Missstand nahelegt, dass keine Freiwilligen aus privilegierten Ländern entsendet werden soll-ten. Klar ist, dass so eine Taktik mit Sicherheit keine Lösung des Problems darstellt.

Häufig fällt in diesem Kontext auch der Begriff „Volontourismus“. Damit ist gemeint, dass Freiwillige, die in vielen Fällen von weltwärts gefördert werden, in Länder des globalen Südens fahren, um dort eine erlebnisreiche Zeit zu erfahren, um zusammen „mit Einwohner:innen zu leben“, um „helfen“ zu können – und das innerhalb weniger Monate oder sogar Wochen, finanziert vom deutschen Staat. Auf die Spitze getrieben könnte man sagen, dass solche Freiwilligendienste wie ein Besuch im Zoo funktionieren: Man kann die vielen fremdartigen Tiere begutachten, kann sich über sie lustig machen, kann den Ausflug genießen, wohlwissend, dass Tiere nicht dafür gemacht sind, begafft und eingesperrt zu sein und zu guter Letzt kann man noch fünf Euro in die Spendenbüchse werfen, um mit gutem Gewissen sagen zu können, dass man dazu beiträgt den Regenwald zu retten. Dieses Bild soll zeigen, dass ein solcher Freiwilligendienst die Bedingungen der sozialen Ungerechtigkeit und das für uns daraus folgende Privileg unmittelbar bis zum Äußersten ausnutzt.

Ich glaube, dass wir, bei Aktion Lichtblicke Ghana e.V., keinen Volontourismus anbieten, sondern einen Lerndienst; Einen Dienst, der es Freiwilligen erlaubt zu lernen. Aber auch vor dem Hintergrund, dass wir jungen Deutschen den Weg ebnen, einen solchen Lerndienst anzutreten, wohl wissend, dass dieser Dienst eine Einbahnstraße ist, bleibt der Vorwurf der Ungerech-tigkeit bestehen.Und es bleiben noch viele weitere Fragen offen. Zum Beispiel folgende: Können wir es verantworten, durch unsere Spenden das Partnerprojekt in Ghana in gewisser Weise abhängig zu machen? Oder gibt es dazu Alternativen, die keine Strukturen globaler Ungerechtigkeit reproduzieren?Und dürfen wir solche Fragen überhaupt allein – also ohne das ghanaische Partnerprojekt – besprechen? Eigentlich nicht! Wie also können wir Strukturen schaffen, die mehr Austausch unterstützen und vielleicht irgendwann eine echte Augenhöhe ermöglichen? Fragen wie diese werden uns wohl in den nächsten Jahren häu-fig begleiten. Ich bin gespannt, wo sie uns hinführen!

(Merit, ehemalige Freiwillige 2016/17)

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